Salzburgs Trovatore - Betriebsrat des darstellenden künstlerischen Personals der Wiener Staatsoper

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Salzburgs Troubadour betört weltweit
Von Hedwig Kainberger | 28.08.2014
Wenn Anna Netrebko singt, jubelt nicht nur das Publikum in Salzburg. Über DVD, Kino und Fernsehen erreicht sie Millionen Zuseher.

Opern der Salzburger Festspiele sind längst nicht mehr nur für das Publikum in Festspielhäusern. Der Filmproduzent Jan Mojto, Chef der Unitel, bringt Opern und große Konzerte ins Fernsehen und weit darüber hinaus. Doch obwohl er sich auf die Superklasse konzentriert, hat er Sorgen.
SN: Welchen Erfolg hatten Sie heuer mit Übertragungen von den Salzburger Festspielen?
Mojto: Mit "Il trovatore" und "Der Rosenkavalier", die wir mit dem ORF produzierten, hatten wir gute Einschaltquoten. Bei der Live-Übertragung waren es in Österreich etwa 300.000, bei Arte etwa 600.000. Das heißt: Allein im deutschsprachigen Raum hat das etwa eine Million Leute gesehen.
Weil Alvis Hermanis inszeniert, war auch das lettische Fernsehen dabei. Und weil Anna Netrebko singt, war das russische Fernsehen dabei. Zudem ist es über unseren Kanal Classica (ein Pay-TV-Kanal, Anm.) in über 30 Ländern gelaufen. Weltweit gibt es keine Quotenmessungen, es werden also ein paar Millionen Zuseher gewesen sein.
Bedenkt man, dass die sechs Aufführungen im Großen Festspielhaus knapp 14.000 Leute sehen, bringt das Fernsehen eine beträchtliche Breitenwirkung. Das ist auch als Demokratisierung der Oper zu verstehen. Das zeigt, dass es sinnvoll und sinnstiftend ist.
SN: Bringt es Gewinne?
Nein, Unitel hat zehn Jahre mit Verlust hinter sich. Aber ich sehe das nur bilanzmäßig als Verlust, in meinem Kopf sind das langfristige Investitionen. Lang können wir uns das allerdings nicht leisten, aber ich hoffe, dass es aufgeht. Ich halte Musik für ein wesentliches Element der menschlichen Existenz. Daher ist es sinnvoll und sinnstiftend.
SN: Woher kommt die Hoffnung, dass es finanziell aufgeht?
Von Vertriebskanälen über die Digitalisierung und von der Entwicklung von Classica. Ob allerdings auch damit diese Aktivität auf Dauer ohne Subvention oder Mäzene möglich sein wird, weiß ich nicht.
SN: Was sendet Classica?
Dieser Fernsehkanal, der 24 Stunden am Tag klassische Musik sendet, ist als Bezahlfernsehen in vielen Ländern zu empfangen, in Deutschland und Italien etwa über Sky-TV. Auf über 30 Plattformen erreichen wir mehrere Millionen Zuschauer, etwa in Südkorea, der Mongolei oder auf den Philippinen. Das Programm ist ausschließlich von Unitel - Live-Übertragungen oder aus unserem Katalog von etwa 1500 Opern und Konzerten.
SN: Was ist neu im Vertrieb?
Früher gab es dafür ein oder zwei Fernsehprogramme. Da gab es typischerweise Sonntag um 10 Uhr ein Konzert und ein Mal im Monat eine Oper. Heute gibt es Fernsehen, Kino, Internet und DVD. Die Vertriebswege sind nicht mehr knappe Ressource, Sie können Hunderte Opern parallel ins Internet stellen.
Unitel ist also an dem Punkt angelangt, von dem die Gründerväter Leo Kirch und Herbert von Karajan geträumt haben: Es ist technisch möglich, viele Klassikinteressierte weltweit mit bester Qualität zu erreichen. Und das versuchen wir.
SN: Warum ist es - im Vergleich zu Büchern, Kinofilmen oder Popmusik - noch schwierig, Oper über Internet zu beziehen?
Über Internet versenden wir Datenmengen, und die müssen speziell verpackt sein. Jede Plattform hat da andere Anforderungen. Wir sind dabei, das technisch umzusetzen.
Dass Klassik anders zu formatieren ist als Kinofilme, erkennen Sie auch daran, dass in Titelangaben nur Platz für einen Regisseur ist, aber nicht für Dirigent und Komponist. Das wird sich ändern.
SN: Wie wird das wirksam?
Wir haben soeben mit der Deutschen Grammophon, die auch unsere DVDs vertreibt, vereinbart, das Unitel-Programm auf iTunes zu bringen. Außerdem überlegen wir, eine spezielle Download-Plattform für klassische Musik zu machen. Wir als Unitel gehen davon aus, dass wir mit unseren hochwertigen Inhalten dafür gute Karten haben.
SN: Nehmen wir "Il trovatore" von den Salzburger Festspielen: Wie wird so eine Oper produziert?
Zunächst kooperieren wir für das Produzieren. Hier in Salzburg haben wir seit Jahren dafür ein eigenes Modell: Ein exklusiver Partner sind die Salzburger Festspiele als Veranstalter. Ein zweiter sind die Wiener Philharmoniker, mit denen wir seit den 1960er-Jahren arbeiten und etwa 150 Produktionen gemacht haben. Kein anderes Orchester der Welt ist so gut und so lang audiovisuell dokumentiert wie die Wiener Philharmoniker bei Unitel.
Drittens arbeiten wir hier mit dem ORF, der setzt seine Techniker ein, koordiniert alles, übernimmt also einen Teil der Produktion und ihre Kosten. Wir finanzieren den Rest, etwa Abgeltung von Rechten.
SN: Wo überall - nach ORF und Arte sowie bei Festspielnächten auf dem Kapitelplatz - ist die Aufzeichnung zu sehen?
Wir vertreiben das über Unitel Plus und Classica. Das heißt: Wir verkaufen es nach der Live-Übertragung weltweit an Fernsehstationen - etwa auf Fernsehmessen. Dann machen wir eine Vereinbarung mit einem Label, das die DVD vertreibt. Sie sehen: Wir agieren da wie ein Großhändler.
Zudem bringen wir Oper in Kinos. In Südkorea ist "Il trovatore" schon in den Kinos gelaufen. Und jedes Jahr im Jänner bringen wir Opern der Salzburger Festspiele in 250 Kinos in Europa - etwa Italien, Skandinavien, Frankreich. In dieser Woche werden Highlights des Jahres präsentiert, pro Tag eine Oper.
SN: Und Kinos in Österreich?
Hier wird das nicht als interessant erachtet, weil die Opern ja im Fernsehen waren.
SN: All das genügt finanziell nicht?
Bis wir die Produktionskosten von mehreren 100.000 Euro pro Aufnahme samt Vertriebskosten verdienen, dauert es nach derzeitigem Stand Jahrzehnte. Nehmen Sie Italien: Da hat Classica zirka 40.000 Abonnenten, die jeden Monat zehn Euro bezahlen. Das ist zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben.
SN: Warum sind die Salzburger Festspiele für Sie interessant?
Salzburg ist ein Ort großer Aufführungsqualität klassischer Musik plus Internationalität plus Wiener Philharmoniker, mit denen Unitel seit ihrer Gründung produziert.
SN: Was noch zeichnen Sie auf?
Wir wollen nur ins höchste Segment. Wir wollen die Haute Couture der klassischen Musikproduktion sein, nicht Prêt-à-porter - daher Salzburger Festspiele, Christian Thielemann, Daniel Barenboim, Münchner Staatsoper, Rossini-Festival in Pesaro, Concertgebouw, Berliner und Wiener Philharmoniker, Staatskapelle Dresden.
SN: In welchem Umfang dokumentieren Sie jedes Jahr die Salzburger Festspiele?
Bisher - seit 2005, also im zehnten Jahr - haben wir 80 Produktionen aufgenommen, davon 50 Opern.
SN: Was war das im heurigen Salzburger Festspielsommer?
"Fierrabras", "Don Giovanni", "Il trovatore", "Der Rosenkavalier" sowie die sieben Buchbinder-Abende und das Konzert Gustavo Dudamels mit den Wiener Philharmonikern.
SN: Was waren Ihre bisher erfolgreichsten Salzburger Aufzeichnungen?
"La Traviata" mit Anna Netrebko (2005), die verkaufen wir heute noch gut. Und berühmt wurden die 22 Mozartopern aus 2006.
SN: Früher sah man neben und auf der Bühne Kameras; und eine Fernsehaufzeichnung war wegen des dafür nötigen grellen Lichts gesondert angekündigt. Warum ist nichts mehr davon zu sehen?
Unsere Kameras werden immer handlicher, leiser und kleiner, sie stören also das Publikum immer weniger. Und nicht immer sitzt jemand daneben oder dahinter, weil wir ferngesteuerte Kameras einsetzen. Und sollten die Zuschauer der Oper ab und zu doch eine Kamera sehen - hören tun sie nichts mehr, so leise sind die.
Zudem werden unsere Kameras immer lichtempfänglicher, deswegen ist ein spezielles Fernsehlicht heute kein Thema mehr.
SN: Genügt es, eine Aufführung aufzuzeichnen?
Nein. Sofern wir nicht eine Premiere live übertragen, nehmen wir durchschnittlich drei Aufführungen mit zwölf Kameras auf. Für jedes Bild haben wir also 36 Möglichkeiten. Es ist dann Aufgabe des Bildregisseurs, das zu schneiden.
Für den Ton nehmen wir vier, manchmal sogar fünf Aufführungen. Noch dazu - vor allem bei Konzerten - gibt es die Möglichkeit für Retakes: Ist der Dirigent oder der Tonmeister mit einer Passage unzufrieden, spielt das Orchester nur diese paar Takte noch einmal.
SN: Haben die Künstler das Recht zu autorisieren?
Das ist unterschiedlich. Meist ist das ein amikales Miteinander. Wenn ein Künstler das Gefühl hat, in einer bestimmten Aufführung eine Arie besonders gut erwischt zu haben, berücksichtigen wir das. Manchmal aber bestehen Künstler - oft sind es auch ihre Agenten - auf das Abnahmerecht. Das heißt: Ohne ihre Zustimmung darf nichts publiziert werden.
Früher war dieses Abnahmerecht ein großes Thema. Am unerbittlichsten darauf beharrt hat Herbert von Karajan. Was Aufnahmen betraf, war er ein Kontrollfreak. Er war erpicht darauf, die Perfektion in Ton und Bild zu erreichen.
Das Gegenteil davon war Leonard Bernstein. Den hat keine Aufnahme gestört. Und es gab einen berühmten Moment: Nach einer Bruckner-Symphonie, als die Kamera auf ihn schwenkt, fällt ihm ein Schweißtropfen von der Nase. Er hat das ohneweiters akzeptiert.
SN: Wie schwierig ist die Zusammenarbeit von Bühnenregie und Bildregie?
Da hat sich viel verändert. Früher fanden gewisse Regisseure schon das Wort "Fernsehen" schrecklich. Andere waren stolz darauf, ihre Inszenierungen möglichst dunkel zu machen. Früher waren wir oft nur geduldete Störer.
Heute interessieren sich Regisseure für die Aufzeichnungen, sie sind bereit zur Zusammenarbeit, ohne ihre künstlerischen Vorstellungen aufzugeben. Sie erlauben, dass wir in Proben gewisse Aufnahmen machen, um diese bei Bedarf in die Aufzeichnung zu integrieren.

(mehr dazu: http://www.salzburg.com/nachrichten/spezial/festspiele/salzburger-festspiele/oper/sn/artikel/salzburgs-troubadour-betoert-weltweit-118815/)


 
 
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