Salzburg Mittelmässige - Betriebsrat des darstellenden künstlerischen Personals der Wiener Staatsoper

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Ihr Mittelmäßigen, geht doch nach Salzburg


Leere Stühle, leere Kassen: Die elitären Salzburger Festspiele haben Geldsorgen. Auch anderswo verschärfen schwächelnde Künstler und starke Konkurrenz das Sommerkultur-Problem. Ein Schadensbericht.
Leere Plätze in den Premieren. Karten im Internet für "Don Giovanni" und "Der Rosenkavalier". Ein "Troubadour", der nur dank Anna Netrebko und Plácido Domingo ausverkauft ist. Aber Helga Rabl-Stadler, im 20. Jahr Präsidentinnen-Urgestein der lt Salzburger Festspiele, wiegelt ab und nippt an einem Glas Rosé-Champagner.
"Wir sind diesen Sommer schon am Anfang der Festspiele besser ausgelastet als in unserem letzten Rekordjahr", sagt sie. Die neue "Don Giovanni"-Inszenierung verkaufe sich stärker als die letzte. "Und diese werden wir mindestens drei Jahre spielen."
Natürlich schlendern immer noch die reichen, schönen oder zumindest gut konservierten Menschen mit Kulturambition und Festspielkarten in den Smoking- und Edeldirndltaschen, zwischen der steigenden Anzahl asiatischer Touristen durch die Salzburger Getreidegassenhölle. Und Rabl-Stadler weiß natürlich, wie man Fakten interpretiert. Längst ist sie so etwas wie das stoische Gesicht dieser Festspiele. Sie hat bereits vier Intendanten gehen sehen. Der fünfte, Alexander Pereira, wird sich nach diesem Sommer vorzeitig verabschieden.
Dann wird Rabl-Stadler zwei Jahre lang selbst regieren, zusammen mit ihrem Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf. 2017 wird sie Markus Hinterhäuser als ihren sechsten Intendanten begrüßen, der auch schon ihr vierter war. Und 2018 will sie, womöglich, abtreten.
Doch so rosig, wie es die Präsidentin darstellt, ist die Lage des Festivals nicht. Mit Pereira, dem nach außen jovial kasperllustigen, nach innen auch mal ruppigen Einzelkämpfer, der ausgerechnet als Österreicher in Salzburg geschasst wurde, verliert Rabl-Stadler einen wichtigen Geldbesorger. Mehr noch: Mit ihm, der im Herbst an der Mailänder Scala Intendant wird, werden wichtige Sponsoren von der Salzach weiterziehen. Nächstes Jahr sollen es schon eine Million Euro weniger sein.
Weniger Programm, weniger Kosten?
Auch die öffentlichen Subventionen schrumpfen. Pereira hat darauf zu reagieren versucht, indem er ein besonders breites Programm auf die Beine stellte, in der Hoffnung, dadurch mehr Karten zu verkaufen. Ab nächstem Jahr verfolgen die Festspiele nun die gegenteilige Strategie: Das Programm wird schmaler, um Produktionskosten zu sparen.
Das Budget des Edelfestivals in seiner dann 95. Ausgabe wird knapper. 61 Millionen Euro beträgt in diesem Sommer das Gesamtbudget. Im Jahr 2015 sollen es 58,9 Millionen sein, bei 11.300 weniger aufgelegten Tickets. Dabei würden dann 16 Millionen Euro aus öffentlichen Töpfen kommen. Der Rest soll selbst verdient werden, mit Sponsorengeld (neun Millionen) und Ticketverkäufen.
Auf die hohe Eigenwirtschaftlichkeit wird besonders geachtet, seit bei der Holding der Wiener Bundestheater (Burg, Staats- und Volksoper) unglaubliche schwarze Finanzlöcher aufgedeckt wurden. Selbst die vorbildlich wirtschaftende, zu 99,9 Prozent ausgelastete Staatsoper soll durch Etatschiebereien seitens der Holding inzwischen mit 13 Millionen Euro in den roten Zahlen hängen.
Österreich möchte zwar weiterhin als Kulturnation gesehen werden, aber zahlen möchte es für seine schöngeistigen Aushängeschilder immer weniger. In Salzburg, wo seit 1997 keine Tariferhöhungen mehr vom Staat ausgeglichen werden, gibt es zwar jetzt kurzfristig vom Finanz-, nicht vom Kulturministerium 2,5 Millionen Euro mehr, aber das Geld wird bis 2016 durch weitere Tarifsteigerungen wieder aufgefressen sein.
In Bregenz, wo diesen Sommer der Engländer David Pountney nach elf Sommern als Intendant der zweitgrößten Festspiele im Land Platz macht, ist die Situation ebenfalls dramatisch: "Wenn die Politik nicht endlich die seit 1997 eingefrorenen Zuschüsse steigert, dann herrscht in Bregenz, wo die Festspiele ihre 23 Millionen Subventionen 40-fach via Umweg-Rentabilität einspielen, ganz schnell Land unter", menetekelt er.
Seine Nachfolgerin Elisabeth Sobotka hat deshalb nach der megaerfolgreichen "Zauberflöte" der letzten zwei Jahre sicherheitshalber gleich zwei Klassiker angesetzt: Puccinis "Turandot" auf dem See sowie Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" in der vermutlich opulenten Regie von Stefan Herheim.
Wo sind die Stars von morgen?
Auch Markus Hinterhäuser kommt ins Grübeln. Der designierte Intendant der Salzburger Festspiele ist derzeit noch Chef bei den Wiener Festwochen, plant aber schon für seinen Dienstantritt in Salzburg 2017. "Wo sind die Stars, die ich besonders im großen Festspielhaus in den teuren Solistenkonzerten präsentieren kann, die uns das Geld bringen, mit dem wir experimentellere Projekte finanzieren können?", fragt er. "Es gibt heute vielleicht noch fünf oder sechs Stars, mit denen ich ein ausverkauftes Haus garantieren kann."
Und auch bei den glänzenden, Einnahmen verheißenden Dirigenten für die Orchesterkonzerte sieht es mager aus. Dieses Jahr sind mit Claudio Abbado und Lorin Maazel zwei der wichtigsten Großen gestorben. "Der eine ist blind, der andere depressiv, der dritte sehr krank, der vierte sitzt im Rollstuhl", geht Hinterhäuser die Reihe der greisen, aber geldwerten Pultgrößen durch. Nur der 87-jährige Herbert Blomstedt und der 85-jährige Bernard Haitink leisteten in dieser Saison ihren gewohnt hervorragenden Dienst.
Das Publikum scheint weniger neugierig, kommt zögerlicher und erst in letzter Sekunde und wird immer anspruchsvoller – kein Wunder bei Opernspitzenpreisen von 420 Euro pro Karte. Auch immer mehr Medien nörgeln. Warum soll man sich auch im angeblichen Mozart-Mekka Salzburg einen "Don Giovanni" ansehen, den der Regisseur Bechtolf schon einmal anderswo inszeniert hat und der sehr altbacken aussieht?
Am Pult stand mit Christoph Eschenbach in dieser Saison zudem kein wirklich bedeutender Mozart-Dirigent. Für den neuen "Figaro" 2015 ist der noch mittelmäßigere Mannheimer Generalmusikdirektor Dan Ettinger angekündigt. Das Protagonistenpaar, Ildebrando d'Arcangelo als Don Giovanni und Luca Pisaroni als Leporello, konnte und kann man in schöner Regelmäßigkeit auch anderswo billiger haben. Und für die beiden Primadonnen kam die Salzburger Glamourpremiere vokal noch ein wenig zu früh.
Der künstlerische wie finanzielle Druck steigt
Die Konzerte sind austauschbarer geworden. Das innovative Young Directors Project wird es nach dem Rückzug des Sponsors nicht mehr geben. Beim Schauspiel waren bisher zu sehen: eine ordentlich zurechtgeschnitzte Best-of-Fassung von Karl Kraus' Weltuntergangskabarett "Die letzten Tage der Menschheit" und "The forbidden zone" sowie Katie Mitchells inhaltlich öd-schlichte, aber technisch hypertrophe Videoinstallation über drei durch die Kriegsgräuel betroffene Frauenschicksale.
Das Schauspielprogramm trägt schwer an der selbst auferlegten Gedenklast der Urkatastrophe von 1914. Diese freilich hat 1920 die Gründung der Salzburger Festspiele als kultureller Neuanfang mitbewirkt.
Der Druck, künstlerisch wie finanziell, steigt in Salzburg. Auch die übrigen Opernhäuser und Theater versuchen immer mehr, mit Höchstleistungen auf Publikumsfang zu gehen, und vielen davon geht es finanziell nicht gut. Eine neue Politikergeneration wird lieb gewordene Kulturleistungen kühler kalkulieren.
In Sachsen-Anhalt wird das gerade vorexekutiert, wo die Landesregierung bei Theatern und Orchestern in den nächsten Jahren Millionen einsparen will. Doch gerade in diesen Institutionen werden die Stars von morgen groß, nach denen die Edelfestivals alle gieren. Auch ein Jonas Kaufmann hat einmal in Saarbücken angefangen. Jetzt aber soll in Salzburg der neue, schöne, hell bejubelte "Rosenkavalier" alles richten. Denn wie heißt es doch darin? "Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding."
(mehr dazu: http://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article130920814/Ihr-Mittelmaessigen-geht-doch-nach-Salzburg.html)

 
 
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