Eine Lanze für den Kulturminister - Betriebsrat des darstellenden künstlerischen Personals der Wiener Staatsoper

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Eine Lanze für den Kulturminister
Herrn Bundesminister Ostermayer, mit scharfem Verstand und mit noch mehr politischer Erfahrung ausgerüstet, ist zugute zu halten, daß er keine Versprechungen macht, die er nicht halten kann. Das ist ja bekanntlich nicht immer so bei Politikern. Er verspricht - und das gefällt mir: "Er werde versuchen, 'soviel wie möglich zu ermöglichen'". (OÖN, 30.05.2014, http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/Ein-Tischhuepfer-der-schwer-zu-fassen-ist;art16,1400310#ref=rss).
Warum ist es so schwer ist für einen Kulturminister, Zusagen finanzieller Art an seine Direktoren zu machen? Sein Ressort hat ein Budget, das nach Rahmen-Vorgaben des Finanzministers erstellt wird. Bekäme die Bundestheater-Holding mehr, müßte er genau diesen Betrag einer anderen Kultureinrichtung entziehen. Weil sein Budget fix ist! Und genau über diese Probleme muß man nachdenken. Warum hat der Staat finanzielle Probleme bei fortschreitendem Wachstum (man mag sich ja gar nicht vorstellen, was passieren wird, wenn die Wirtschaft einmal wirklich nicht mehr wächst)?
Man muß fragen, warum eine Valorisierung, also eine Anpassung der Zuschüsse an die durch die Inflation bestimmten steigenden Gesamtkosten nicht erfolgt. Das führt entweder zur Verarmung der Arbeitnehmer oder zu fehlenden Produktions-Budgets oder zu beidem.
Man muß fragen, warum die Benya-Formel, das gewaltigste Instrument österreichischer Sozialpartnerschaft, nicht mehr angewendet wird (entsprechend der Formel wird den Arbeitnehmern die jährliche Inflation abgegolten und die Hälfte dazu vom Produktivitätszuwachs zugestanden). Die Lohnquote, der Gesamtanteil der Arbeitnehmereinkommen am Volkseinkommen, ist im beobachteten Zeitraum von 1995 bis 2011 von 76 Prozent auf 68 Prozent gesunken. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß in diesem Zeitraum zwar ein Wirtschaftswachstum da war, man die Arbeitnehmer seitens der Arbeitsgeber aber eben nicht mehr im gleichen Ausmaß am gesamtgesellschaftlich erwirtschafteten Ergebnis beteiligen wollte. Die Dividendenausschüttung der Aktiengesellschaften hatte sich dagegen im selben Zeitraum auf zehn Prozent der Unternehmenswertschöpfung verdoppelt.

8 Prozent weniger für die Arbeitnehmer und Verdoppelung der Dividendenausschüttung!!!

Im Moment kämpft die Gewerkschaft um niedrigere Lohnsteuern, damit dem Arbeitnehmer mehr Geld zum Leben bleibt. Also, und davon gehe ich aus, wenn die österreichische Bundesregierung bisher nicht verschwenderisch mit den Steuereinnahmen umgegangen ist, hat sie jetzt weniger finanzielle Mittel zur Verfügung, weil ja ein Teil der früheren Einnahmen in der Hand jedes einzelnen Arbeitnehmers bleiben würde. Sinkende Staatseinnahmen bedeuten aber auch sinkende Staatsausgaben. Wo wird also dann gespart werden? Diese Frage kommt nicht von ungefähr.
Denn nach der Rettung aller Banken mit der sich anschließenden Rettung einzelner Banken ist der Staat seit Jahren finanziell überfordert und so wird am Ende die entgangene Lohnsteuer doch vom Einzelnen auf die eine oder andere Art wieder zu bezahlen sein. Das steht zumindest zu befürchten. Oder es kommt eben zu den befürchteten Kahlschlägen, die in anderen Ländern bereits zu immensen Einsparungen am Kultursektor geführt haben.
Es kann natürlich auch der gewünschte Effekt eintreten und bei mehr "Netto vom Brutto" für jeden Arbeitnehmer die Kaufkraft gestärkt werden und die Spirale der Arbeitsplatzsicherung bzw. -Schaffung sich zu drehen beginnen und der Staat somit mehr Einnahmen aus der MWSt lukrieren können.
Drei Länder, neben Österreich noch Deutschland und die Niederlande, haben in den letzten Jahren die Lohnsteigerungen unter dem Produktivitätszuwachs gehalten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Wenn man die Wettbewerbsfähigkeit steigert, hat man, um es mal mit anderen Worten zu sagen, an einem Wettbewerb teilgenommen und gewonnen. Wir hätten jetzt gern die Auszahlung einer Siegerprämie!!! Oder kommt die erst noch? Wann?
Bis jetzt haben wir uns mit Staatsverschuldung, Privatverschuldung und Inflation sowie weiteren Notbehelfen über Wasser halten können. Langfristig sind Notbehelfe aber keine systemerhaltenden Maßnahmen. Wir wollen nicht mit Märchen von sinkenden Wirtschaftsdaten und Sagen vom gottgegebenen Markt unterhalten werden. Wir brauchen eine langfristige Strategie - eine Idee - wie es in Zukunft weitergehen kann.
Noch ist Österreich eine stabile und herausragende Sozialgemeinschaft. Man lebt - und das ist auch bewiesen - in Österreich mit einem sehr, sehr hohen Lebensstandard. Unsere Befürchtung ist es, dieses als nicht hoch genug wertzuschätzendes Gut in mehr oder weniger ferner Zukunft zu verlieren. Der Weg der ständigen spontanen Notlösungen kann nicht der Weg sein, den sich Österreich verdient hat. Und er wird auch nicht auf Dauer wirksamen Schutz bieten.
Vergleicht man diese Gedanken mit den Aussagen der führenden Politiker in den letzten Jahren nimmt man keinen Unterschied wahr. Das könnte zu großer Erleichterung führen: Umkehr vom Neoliberalismus, der sich bereits jetzt weltweit eigentlich zu Tode liberalisiert hat, wieder zurück zu staatsdemokratischen Strukturen, die über Jahre für Stabilität gesorgt hatten.
Weit gefehlt! Es gibt keinerlei spürbare Anstrengungen Institutionen aufzubauen, mit denen Märkte (vor allem Finanzmärkte) wieder unter soziale Kontrolle gebracht werden können. Wohl aber nehmen wir wahr, daß das Gemeinwohl, früher existenz- und sinngebend für die Institution Staat, von eben diesem Staat ausgelagert, weggelegt, verlassen und verraten wird. "Der Staat stiehlt sich systematisch aus Kultur und Wissenschaft" (Dieter Flury, ehemaliger Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker, NEWS 22/14).

 
 
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